Killer Joe

Mein Interesse für Killer Joe wurde durch den Autor geweckt. Tracy Letts ist ein klassischer playwright, mit Killer Joe machte er 1993 zum ersten Mal auf sich aufmerksam. In den Folgejahren landete er mit Bug einen kleinen Theaterhit, dessen höchst gelungene Verfilmung und erste Kollaboration mit Regisseur William Friedkin (The Exorcist) aber größtenteils missverstanden wurde. 2007 gelang ihm mit August: Osage County dann der große Durchbruch. Für das Stück, welches sich wie ein Update und gleichzeitig wie eine Satire der great american plays im Stil von Tennessee Williams oder Eugene O’Neill liest, gewann er den Pulitzer-Preis; eine Verfilmung mit Meryl Streep in der Hauptrolle steht an.

Doch schon mit seinem Erstling zeigte Letts, was in ihm steckt. Auch in Killer Joe stehen eine Familie und ihre Probleme im Mittelpunkt, doch Letts und sein Regisseur Friedkin sezieren ihre White-Trash-Charaktere bitterböse, verwandeln das Stück immer mehr zur Groteske – und liefern damit nicht nur einen brüllend komischen Film, sondern auch das denkwürdigste Filmfinale der jüngeren Vergangenheit.

Einer der zahlreichen dummen Charaktere in Killer Joe ist Chris Smith (Emile Hirsch, Into the Wild), der wegen misslungener Drogengeschäfte in Schulden steckt und mit seinem Vater Ansel (Thomas Haden Church) beschließt, Chris‘ Mutter und Ansels Ex-Frau Adele töten zu lassen. Deren Lebensversicherung soll zwar Chris‘ Schwester Dottie (Juno Temple) zustehen, die ist aber nicht nur jungfräulich, sondern geistig sowieso nicht ganz auf der Höhe. Also wird Killer Joe (Matthew McConaughey) engagiert, ein Polizist, der nebenbei als Auftragskiller arbeitet. Doch Joe will bezahlt werden – und zwar mit Dottie.

Die dümmste Familie der Filmgeschichte? Chris (Emile Hirsch), Sharla (Gina Gershon), Ansel (Thomas Haden Church) und Dottie (Juno Temple)

Ziemlich schnell ist klar, dass in diesem Film alles schief gehen muss, was nur schief gehen kann; auf das was kommt, ist vermutlich trotzdem keiner vorbereitet. Letts dekonstruiert nicht nur die Familie als Grundpfeiler des amerikanischen Südens gnadenlos, sondern richtet auch ein herrliches Blutbad an – inklusive der wohl absurdesten Vergewaltigung, die je auf Film festgehalten wurde.

Dabei liefert er seinen Darstellern eine hervorragende Vorlage: McConaughey dürfte als Killer Joe endlich seinen Rollen als romantischer Held entkommen sein. Haden Church gibt einen wunderbar einsilbigen und vor allem ahnungslosen Familienvater. Gina Gershon (schon in Showgirls ein Lichtblick), die seine Filmfrau Sharla gibt und ihre nackte untere Körperhälfte noch vor ihrem Gesicht in die Kamera hält, ist herrlich laut und vulgär. Juno Temples Dottie ist aus dramatischer Sicht die einzig halbwegs ernstzunehmende Figur des Films und glänzt als nie erwachsen gewordenes, verstörtes Mädchen. Nur Emile Hirsch fällt im Ensemble kaum auf.

Letts und Friedkin müssen sich zwar den Vorwurf gefallen lassen, mit Killer Joe vor allem schockieren zu wollen. Wenn man aber so schön schockt, dass das Ergebnis wie ein von Tarantino auf Speed verfilmtes Stück von Tennessee Williams aussieht, ist das durchaus erlaubt.

9/10