The Tenant

„Der Mieter“ ist zunächst ein ganz normaler Gruselfilm: Trelkovsky (Roman Polanski) mietet sich ein Apartment in Paris, das frei wurde, weil sich die Vormieterin Simone Choule aus dem Fenster stürzte. Diese lebt zunächst noch, Trelkovsky besucht sie im Krankenhaus, wo er Simones Freundin Stella (Isabelle Adjani) kennenlernt. Als Simone die beiden am Krankenbett sieht, stößt sie einen lauten Schrei aus und ist kurz darauf tot. Derweil passieren im Apartment seltsame Dinge. Die Nachbarn beschweren sich ständig über Krach, Trelkovsky findet in einem Loch in der Wand einen Zahn und sieht, dass in der aus seinem Fenster sichtbaren Toilette teilweise stundenlang Menschen stehen ohne sich zu bewegen. Von nun an wird alles immer seltsamer…

Während des Filmschauens fand ich „The Tenant“ weder sonderlich gut noch besonders schlecht. Mir fiel auf, dass der Film im Vergleich zu Hitchcocks Werken eher schlecht gealtert ist; Spannung kommt anfangs selten auf. Trelkovsky erscheint zunächst als eine recht kafkaeske Figur: Er macht eigentlich nicht viel, ist brav und zurückhaltend, trotzdem passieren ihm ständig schlimme Dinge. Irgendwann (und das passierte mir etwas zu plötzlich) beginnt er allerdings, in den Wahnsinn abzudriften. Oder hat er mit seiner Behauptung, dass ihn die Hausbewohner ebenso wie Simone in den Selbstmord treiben wollen, etwa recht?

Achtung. Ende wird verraten.

Dieses Unwissen auf Seiten des Zuschauers macht den Film im Nachhinein besser, als er im Verlauf wirkt. Ganz geistig gesund kann Trelkovsky nicht sein, immerhin sieht der Zuschauer an einer Stelle des Films, wie er sich selbst würgt, während er sich einbildet, eine Frau wolle ihn umbringen. Außerdem verkleidet er sich immer wieder als Simone. Doch die Hausbewohner wirken auch ständig sehr suspekt; am Ende sehen sie bei seinen Selbstmord geradezu gebannt zu.

Der Film endet damit, dass man aus der Sicht des Krankenbettes (Simones Perspektive? Oder doch Trelkovskys?) Stella und Trelkovsky erneut am Krankenbett sieht, sie lernen sich also wieder kennen. Ist das nur ein Flashback, das zu verdeutlichen versucht, dass Trelkovsky sich nun tatsächlich für Simone Choule hält? Auch die immer wiederkehrende ägyptische Symbolik (Schriftzeichen, Mumien) bleiben ein Rätsel.

Eine Theorie zur Lösung des Films fand ich allerdings besonders interessant: Man muss sich die Frage stellen, warum Trelkovsky überhaupt von dem leerstehenden Apartment wusste, obwohl die Vormieterin noch nicht einmal tot war. Außerdem ist es seltsam, dass Simone bei seinem Anblick im Krankenhaus plötzlich schreit und kurz darauf stirbt. Kann es sein, dass Trelkovsky von Beginn an nicht so brav was, wie er schien? Jeder der Freunde Simones meinte, dass sie keinen Grund hatte, sich umzubringen. Trelkovsky könnte eine Beziehung mit ihr gehabt haben (so wüsste er von der Wohnung, so ließe sich seine Äußerung „I’m pregnant“ erklären, die er macht, als er sich als Simone verkleidet) und sie irgendwann aus dem Fenster gestoßen haben. Simone erkannte im Krankenhaus also ihren Mörder, schrie zwar noch, aber starb kurz darauf. In der Wohnung angekommen, kann Trelkovsky seine Tat nicht länger verdrängen und verfällt langsam dem Wahnsinn. Komplett stimmig ist allerdings auch diese Interpretation nicht, immerhin behauptet Stella, dass Simone nicht sehr an Männern interessiert sei.

Aber gerade diese Unstimmigkeiten, die vielen Möglichkeiten den Film zu sehen, machen ihn besser als er zunächst scheint.

7/10