There Will Be Blood

1898: Ein Mann, alleine in einem Erdschacht, mitten im Nichts. Er sucht nach Gold und Silber, er schwitzt, er ist dreckig, er stürzt und bricht sich ein Bein, doch er hat Glück: Er findet Öl. Und damit beginnt ein Epos um immer mehr Öl und Geld, um Gier, Feindschaft und Hass.

Der Mann heißt Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis, „Gangs Of New York“). Einige Jahre später nimmt er – nun schon professioneller – eine Ölbohrung vor. Wieder ist Öl vorhanden, doch einer seiner Mitarbeiter, frisch gebackener Vater, kommt bei der Bohrung ums Leben. Es wird nicht die einzige Leiche auf Daniels Weg bleiben. Daniel macht das beste aus der Situation: Er nimmt sich dem verwaisten Kind an und hat fortan einen Sohn: H.W. (Dillon Freasier), in weiser Voraussicht von seinem Vater kurz vor dessen Tod mit Öl getauft, erweist sich schnell als hilfreicher Geschäftspartner.

Mittlerweile schreibt man das Jahr 1911, Daniel ist erfolgreicher Ölmann und versucht Grundstücke, unter denen er Öl vermutet, billig von ihren Besitzern abzukaufen. Er stellt sich als Familienmensch dar, gewinnt durch H.W. Vertrauen und verspricht Wohlstand und Bildung. Die Ranch der Familie Sunday kauft er in dem Versprechen, Eli (Paul Dano), dem Sohn, Geld für seine Kirche zu geben. Doch das Versprechen wird Daniel – trotz Massen an Öl – nicht halten; Eli wird zu seinem Feind.

„There Will Be Blood“ – schon der Titel von Paul Thomas Andersons (Hard EightBoogie Nights, Magnolia, Punch-Drunk Love) Koloss eines Films kündigt die biblischen Ausmaße dessen an, was den Zuschauern erwartet. Wir begleiten einen Mann, der so besessen von Öl und Geld ist, dass er dafür über Leichen geht. Das scheinbare Gegenteil von Daniel ist Eli, der Mann des Glaubens. Doch ebenso wie Daniel ist er besessen – zunächst von seinem göttlichen Auftrag, doch später immer offensichtlicher ebenso vom Geld. Der Feindschaft der beiden Männer, dem Kampf Kapitalismus gegen Religion gönnt Anderson keine Kategorisierung in Gut und Böse. Der geradezu religiös verfolgte Kapitalismus führt ins Verderben – die im Grunde kapitalistische Religion ebenso.

Anderson inszeniert in „There Will Be Blood“ den amerikanischen Traum: Daniel ist ein self-made millionaire, durch harte Arbeit hat er es weit gebracht. Doch zu welchem Preis? Am Ende des Films ertrinkt er in Geld und Öl, in Alkohol und Einsamkeit. Er ist ein hasserfülltes Wrack, der Schatten eines Mannes. Andersons thematisch durch und durch amerikanischer Film dekonstruiert also nicht nur zwei Grundpfeiler der Nation – Kapitalismus und Religion -, er betreibt auch noch Desillusionierung auf höchstem Niveau: Der „american dream“ ist ausgeträumt.

„There are times when I look at people and I see nothing worth liking. I want to earn enough money that I can get away from everyone.“

Passend zur epochalen Geschichte strotzt „There Will Be Blood“ nur so vor Größe: Die Aufnahmen der kargen Landschaft, die bedrohlich-treibende Musik des Radiohead-Gitarristen Jonny Greenwood, das grandiose Spiel von Daniel Day-Lewis – alles ist den Ausmaßen des Films angebracht. Gerade Day-Lewis mimt seine überlebensgroße Figur des Daniel Plainview in Perfektion. Er verändert für den Film seine Sprache und seine Haltung und überschattet alle anderen Darsteller. Einzig Paul Dano fällt neben ihm auf; er wandelt auf dem schmalen Grat zwischen Genialität und gnadenlosem Overacting, was gerade in der Rolle des Priesters auch angebracht erscheint.

„There Will Be Blood“ ist ein großer Film, eine präzise Charakterstudie und eine gnadenlose, hochaktuelle Reflektion über die amerikanische Wertewelt. Paul Thomas Anderson hat ein Meisterwerk geschaffen.

10/10

„I’m finished“