Rosemary’s Baby

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich Rosemary’s Baby wirklich als Horrorfilm bezeichnen würde. Die großen Schreckmomente, Blut, ein irrer Mörder – all das fehlt fast gänzlich. Und doch baut Roman Polanski (ChinatownThe Ghost Writer, Carnage) so meisterlich eine Atmosphäre des Unbehagens auf, dass ich das Geschehen von der erste Minute an gebannt verfolgte.

Schon im Vorspann fliegt die Kamera auf das majestätisch und düster-verwinkelt wirkende Bramford House (als Außenkulisse wurde das New Yorker Dakota Building verwendet) zu, es erklingt eine sanfte Stimme (die von Hauptdarstellerin Mia Farrow selbst), die eine gespenstisch anmutende Schlafmelodie trällert. Rosemary (Farrow) und ihre Ehemann Guy Woodhouse (John Cassavetes) suchen eine neue Wohnung und finden sie im Bramford House. Mit der Wohnung kommen aber auch die neuen Nachbarn, allen voran Minnie (Ruth Gordon) und Roman Castevet (Sidney Blackmer), die Rosemary für ein bisschen zu freundlich hält. Guy findet in den beiden jedoch einen Elternersatz und freundet sich mit ihnen an. Als Rosemary dann schwanger wird, mischt sich Minnie noch mehr ins Leben des jungen Paares ein: Sie empfiehlt Rosemary einen guten Arzt und bringt ihr täglich einen gesunden Kräuterdrink.

Doch die Schwangerschaft entwickelt sich nicht, wie erhofft: Rosemary hat starke Schmerzen und sieht ausgezehrt aus. Nachdem sie von Hexen erfährt, die früher im Gebäude gelebt haben sollen, eine Nachbarin Selbstmord begeht und Guy eine Rolle am Theater bekommt, weil sein Konkurrent plötzlich erblindet, ist Rosemary davon überzeugt, dass Minnie, Roman und sogar Guy Böses mit ihrem ungeborenen Baby vorhaben.

Roman Polanski, den es einige Jahre später in The Tenant nochmals in ein unheimliches Apartmenthaus ziehen sollte, zeigt sämtliches Geschehen nur aus Rosemarys Sicht. Bis zum Ende können wir uns nicht sicher sein, ob wir Rosemarys Annahmen glauben oder sie doch nur als einsame Frau, die langsam in den Wahnsinn abdriftet, sehen sollen. Und Polanski gibt uns Grund zum Zweifeln: Er verankert seine Geschichte fest in der New Yorker Realität, Übernatürliches kommt nur in surreal-übertriebenen Träumen zum Vorschein.

Zum Ende scheint sich Polanski dann doch für eine Seite zu entscheiden. Das ist einerseits schade, andererseits bliebe uns andernfalls der gänsehauterzeugende letzte Blick auf Rosemarys lächelndes Gesicht verwehrt. Mia Farrow, die später zur Ehefrau und Muse von Woody Allen (Hannah And Her Sisters) avancierte, überzeugt mich zwar nicht in jeder einzelnen Szene, ist aber mit ihrer Präsenz und dem fragilen Aussehen die perfekte Rosemary. Als wahrer scenestealer erweist sich jedoch Ruth Gordon (Harold and Maude) mit zu viel Make-Up und starkem New Yorker Akzent als neugierige, stets freundliche und doch beunruhigende Minnie.

Rosemary’s Baby ist durchdacht inszenierter, angenehmer Grusel, bei dem sich niemand in das Sofa krallen muss. (Und das Filmposter ist einrahmungswürdig.)

9/10